Aktuelles Pflichtwissen für Therapeuten
Interview mit Dozent D. Benjamin Alt nach der Kursbeschreibung.
Der Praxisalltag stellt viele Anforderungen an Therapeuten. Dies gilt sowohl für Selbstständige, wie auch für Angestellte. Leider fehlt in der Ausbildung die Zeit für viele praktische Themen, wobei häufig erst später auffällt, dass Wissenslücken bestehen. Dabei gibt es auf dem Betätigungsfeld der Masseure, Physiotherapeuten und auch Heilpraktiker viele Ungewissheiten sowie gefühlte Grauzonen.
Ziel des Kurses ist es diese Lücken zu schließen und dem Therapeuten das Wissen zu vermittelt, welches ihm neben den therapeutischen Fähigkeiten oft fehlt. Somit können Fehler vermieden werden und der Therapeut weiß, wie er sich richtig zu verhalten hat.
Rechtsanwalt D. Benjamin Alt spricht in dem kurzweiligen und informativen Kurs viele Thematiken an und bieten die Möglichkeit auch individuelle rechtliche Fragen zu klären. Der Inhalt wird gut verständlich und erfrischend vermittelt. Für jeden Therapeuten wird dieser Kurs ein Gewinn sein.
Themen werden sein:
- Was darf überhaupt ein Therapeut?
- Zivilrecht und Strafrecht in der Praxis
- Patientenrechtegesetz und Behandlungsvertrag
- Zentrale Pflichten eines Therapeuten
- Gefahren durch falsche Abrechnung
- Versicherungen
- Freie Mitarbeiter
- Arbeitsrecht
- Verträge zur Fort- und Weiterbildung
- GEMA
- Terminausfall und Inkasso
- Steuerliche Aspekte
- Zulassung und Existenzgründung
- Werberecht und Wettbewerbsrecht
INTERVIEW FÜR TOP-PHYSIO® – THEMA „FORTBILDUNGEN”
Rechtsanwalt Alt hat sich mit seinem Team auf die Beratung und Vertretung
von Physiotherapeuten spezialisiert. Bundesweit kämpft er somit für den
Berufsstand und ist zudem Justiziar eines großen Berufsverbandes für
Physiotherapeuten. Deshalb ist er auch involviert in aktuellste Verfahren
und Prozesse. Wir haben ihn zu einzelnen Themen im Rahmen von
Fortbildungen befragt und haben freundlicherweise die Erlaubnis bekommen das Interview abzudrucken.
TP: Was hat es überhaupt mit den Fortbildungspunkten auf sich?
RA: Vor mehreren Jahren wurde durch die gesetzlichen Krankenversicherungen eingefordert, dass auf Seiten der Therapeuten eine Qualitätssicherung betrieben werden soll. Es war relativ schnell ersichtlich, dass die Berufsverbände, welche die Rahmenverträge mit den Krankenkassen aushandeln, hier schwerlich gute Lösungen anbieten konnten, welche auch im Sinne der Praxen sein würden. Schließlich sollte die Qualitätssicherung dazu beitragen höhere Preise für die Therapie zu begründen, auf der anderen Seite sollten die Praxen doch nicht zu sehr belastet werden. Deshalb verständigte man sich auf das System der Fortbildungspunkte. In einem Betrachtungszeitraum von 4 Jahren muss somit der Praxisinhaber 60 Fortbildungspunkte erzielen. Sofern eine fachliche Leitung beschäftigt wird, müssen die Fortbildungspunkte von der fachlichen Leitung vorgewiesen werden können. Sofern die Krankenkassen dann Kontrollen durchführen und feststellen, dass nicht ausreichend Fortbildungspunkte in dem Betrachtungszeitraum erzielt wurden, kann dies dazu führen, dass mehr als 10 % der Vergütung der Praxis von den Kassen abgezogen wird, was zu erheblichen Einkommenseinbußen einer jeden Praxis führen würde. Nach einem Vorweisen der Punkte würde dann wieder die vollständige Vergütung gezahlt werden. In den ersten Betrachtungszeiträumen fanden derartige Prüfungen nicht statt und der nächste Betrachtungszeitraum endet am 31.12.2019. Bis dahin müssen also Therapeuten in den 4 Jahren vor dem 31.12.2019 60 Fortbildungspunkte erzielt haben. Sofern dann im kommenden Jahr 2020 Kontrollen stattfinden, müssten Praxen mit erheblichen Einbußen rechnen, wenn der Nachweis der ausreichenden Punkte nicht geführt werden kann.
TP: Gab es hier bereits Überprüfungen und wie viele Praxen waren betroffen?
RA: Mir sind noch keine Überprüfungen bekannt. Dies liegt offensichtlich daran, weil entsprechende personelle Kapazitäten bei den Krankenkassen in der Vergangenheit nicht bestanden haben. Insbesondere weil die Vergütungen in den letzten Jahren allerdings deutlich gestiegen sind, ist damit zu rechnen, dass die Kontrollen bald stattfinden werden, damit sich die Krankenkassen einen Teil der Vergütungserhöhungen wieder zurückholen können. Deshalb sollten sich Praxisinhaber nicht darauf verlassen, dass Kontrollen nicht stattfinden. Vielmehr sollte man sich absichern und im Jahre 2019 noch dafür sorgen, dass man im Jahre 2020 nicht einen Teil der Vergütung abgezogen bekommt oder panisch Fortbildungen machen muss, welche dann eventuell zeitlich gar nicht in den Terminkalender passen oder eventuell interessante Fortbildungen in dem Zeitraum gar nicht angeboten werden oder ausgebucht sind.
TP: Kommen wir zu einem anderen Thema. Es ist bekannt, dass in manchen Praxen Therapeuten sogenannte Zertifikatsleistungen abgeben, welche über das Zertifikat nicht verfügen. Es handelt sich dabei um die manuelle Therapie, die manuelle Lymphdrainage, die Krankengymnastik auf neurophysiologischer Basis und die Krankengymnastik am Gerät. Gibt es Situationen, in denen tatsächlich Therapeuten eingesetzt werden dürfen, welche nicht über das Zertifikat verfügen?
RA: Hier muss unterschieden werden zwischen der Behandlung von privat Versicherten und gesetzlich Versicherten. Im Rahmen der Behandlung von privat Versicherten gibt es das System der Zertifikate nicht. Deshalb darf beispielsweise ein Rezept für manuelle Therapie auch von einem Therapeuten abgearbeitet werden, welcher nicht über das Zertifikat für die manuelle Therapie verfügt. Problematisch ist es jedoch in einem Haftungsfall. Wenn es zu einem Behandlungsfehler kommt oder ein solcher zumindest dem Therapeuten vorgeworfen wird, was leider immer häufiger passiert, muss der Therapeut nachweisen können, dass er die Behandlung sicher beherrscht. Ein Richter wird sich dann üblicherweise erkundigen, ob es eine Standardqualifikation gibt, welche der Therapeut üblicherweise hat, wenn er die spezielle Behandlung abgibt. Er wird dann schnell herausfinden, dass es sich um den Zertifikatskurs der manuellen Therapie handelt. Sofern der Therapeut dann ein Wissen, was den Inhalten des Zertifikatskurs entspricht, nicht vorweisen kann, muss damit gerechnet werden, dass das Gericht ihm unterstellt, dass er die Behandlungsmethode nicht sicher beherrscht und ein Haftungsfall festgestellt wird. In einem derartigen Fall kann es sogar geschehen, dass die Berufshaftpflichtversicherung nicht einspringt. Deshalb sollte man auch im Privatbehandlungsbereich darauf achten, über eine ausreichende Qualifikation zu verfügen, um auch bei der Situation eines Haftungsfalles abgesichert zu sein. Im Rahmen der gesetzlich Versicherten ist es absolut ausgeschlossen, dass eine Zertifikatsleistung durch einen nicht qualifizierten Therapeuten abgegeben werden darf. Mir ist auch bekannt, dass dies häufig passiert. In unserer Kanzlei bearbeiten wir im Jahr eine hohe Anzahl an Mandaten, bei denen es genau um dieses Thema geht. Es kommt nicht selten zu erheblichen Rückforderungsansprüchen der Krankenkassen oder sogar zu Strafverfahren bis hin zum Entzug der Berufszulassung. Dies muss nicht sein. In den Verträgen zwischen den Praxen und den Krankenkassen ist eindeutig geregelt, dass sogenannte Zertifikatsleistungen nur von einem Therapeuten abgegeben werden dürfen, der über die entsprechende Qualifikation verfügt. Egal wie man dieses System subjektiv empfindet, so sind die Regeln objektiv klar festgelegt. Sollte also beispielsweise ein Therapeut für eine Leistung eingesetzt werden, der nicht über das Zertifikat verfügt, handelt es sich im Falle der Abrechnung dieser Leistung um einen Betrug. Sobald die Krankenkasse dies also erfährt, darf die vollständige Vergütung zurückgefordert werden. Es kann darüber hinaus eine Vertragsstrafe von bis zu 50.000 € festgelegt werden. Auch kann es zu weiteren Maßnahmen im Rahmen eines Strafverfahrens oder eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens kommen. Weil wir in der Kanzlei durch unsere Mandanten und die regelmäßige Betreuung von Therapeuten von einer Vielzahl von Fällen wissen, empfehlen wir jeder Praxis hier auf die Einhaltung des Rahmenvertrages zu achten, weil die Konsequenzen sonst sehr unangenehm sein können. Sollte dann doch ein entsprechender Verstoß auffallen, muss man sich unbedingt qualifiziert rechts anwaltlich vertreten lassen, weil die Vorwürfe häufig über das hinaus gehen, was tatsächlich geschehen ist. Schließlich wollen Sie Krankenkassen Zahlungen zurück erhalten.
TP: Darf also auch nicht ein einziger Termin im Rahmen in einer Krankheitsvertretung von einem nicht qualifizierten Therapeuten ausnahmsweise durchgeführt werden oder wenn der Patient sich ausdrücklich den Therapeuten wünscht, welcher nicht über das Zertifikat verfügt?
RA: Nein auch in diesen Fällen ist die Abrechnung mit den Krankenkassen nicht gestattet.
TP: Gibt es noch andere Dinge, auf welche Physiotherapeuten im Rahmen von Fortbildungen Ihrer Meinung nach achten sollten?
RA: Ich empfehle zusätzlich darüber nachzudenken Arbeitnehmern einen finanziellen Zuschuss zu Fortbildungen zu gewähren. Sofern man sich als Arbeitgeber allerdings die Leistungen des Arbeitnehmers auf Dauer sichern will oder zumindest eine Rückzahlung, falls der Arbeitnehmer den Betrieb kurzfristig verlässt, sollte man dringend eine gültige Fortbildungsvereinbarung schließen. In dieser muss für jede einzelne Fortbildung gesondert geregelt werden, unter welchen Umständen eine Rückforderung der Bezuschussung für die Fortbildung möglich ist. Hier müssen vor allem genau die Fortbildung und die Forderungshöhe genannt werden. Es muss eine Abschmelzungsregelung geben, sodass der Arbeitnehmer für jeden Monat, den er nach dem Abschluss der Fortbildung im Betrieb bleibt, weniger zurückzahlen muss. Die maximale Bindungsdauer dürfte nach derzeitigem Rechtsstand bei 2-3 Jahren liegen, wobei dies abhängig ist von der Dauer der Fortbildung. Bei langen Fortbildungen wie der manuellen Therapie dürfte eventuell noch eine Rückforderungsdauer von 3 Jahren denkbar sein. Sicherer fährt man hier mit 2 Jahren. Bei kürzeren Fortbildungen wie der manuellen Lymphdrainage wird eine Bindung des Arbeitnehmers schwerlich über ein Jahr denkbar sein. Das Bundesarbeitsgericht hat hier strenge Vorgaben gemacht. Allgemeine Regelungen zu einer Rückforderung im Arbeitsvertrag sind übrigens im Regelfall unwirksam. Praxisinhaber, welche also Mitarbeiter motivieren wollen Fortbildungen durchzuführen und sich daran beteiligen wollen, sollten sich unbedingt mit dem Thema befassen, um klare Verhältnisse für beide Seiten zu schaffen. Dies wäre dann auch nur fair für beide Seiten. Ich empfehle zudem auch ab und an über den Tellerrand zu schauen und sich mit Themen auseinanderzusetzen, welche nicht nur therapeutische Natur sind. Dies kann beispielsweise der wirtschaftliche Betrieb einer Praxis sein. Von größter Bedeutung dürfte jedoch vor allem das Thema des Abrechnungsbetruges sein, welchen man dringend vermeiden sollte. Immer mehr Praxen sind von Regressen betroffen. Zwar sind wir gerne für Therapeuten da, um diese bestmöglich zu unterstützen. Am besten kommt es jedoch gar nicht zu entsprechenden Regressverfahren. Deshalb sollten sich Praxen auch in der Fortbildung gut aufstellen und sollten die notwendigen Fortbildungen absolvieren, egal bei welchem Fortbildungsanbieter dies erfolgt.
TP: Vielen Dank für dieses Interview. Interessierte Leser erhalten weitere Informationen auch immer auf der Kanzleiwebseite unter www.RechtsanwaltAlt.de !
Zielgruppe
Physiotherapeuten, Masseure, Heilpraktiker, Ergotherapeuten